stadtseelenland

von Christl Greller
Rezension von Josef Graßmugg

Gedichte, 112 Seiten, erschienen im Resistenz Verlag, Neuhofen/Kr. – Linz – Wien, 2016.

ISBN: 978-3-85285-287-4

 

Ein Lyrikband, geschrieben von Christl Greller.

So einfach könnte man diese Sammlung von exakt 100 Gedichten definieren. Aber die Autorin hat die Texte nicht einfach hingeschrieben, sie hat sich der Lyrik hingegeben, dem Zauber der Poesie ausgeliefert.

Die Lyrik ist ihr Sprachrohr. Es bedarf keiner langatmigen Texte, keiner Essays oder Romane, um Betroffenheit auszulösen. Es genügen Gedichte wie „Stadterwachen“ oder „Augenbestürzung“, um unser Gesellschaftssystem zu hinterfragen.

Oft sind es düstere Bilder, die Christl Greller mit ihren Worten zeichnet. Sie prangert die menschgemachte Schändung der Natur an, den sorglosen Umgang mit Wasser – im Kleinen wie im Großen.

Eine Symbiose mit dem Inhalt des Buches bildet das Umschlagbild von Traute Molik-Riemer.

Lyrik muss nicht immer „schön“ sein. Sie bietet durchaus die Möglichkeit, vieles kritisch zu betrachten. Die Stromautobahnen für die Energieversorgung einer Stadt sind nicht Teil einer Schönheitskonkurrenz - aber notwendig. Dasselbe gilt für U-Bahn-Schächte. Motorsägen, die den Kampf gegen Alleebäume aufnehmen werden beschrieben. Aber so wie den alten Bäumen junge nachfolgen, so sucht und findet die Autorin immer wieder Oasen der Zufriedenheit. Blühende Tulpen, Magnolien- und Kastanienbäume sind es, die den Häuserfronten Paroli bieten.

Wohl wissend, dass es oft sogar unsichtbare Mauern sind, hinter denen es dramatisch veränderte Seelenlandschaften gibt. Das Gedicht „Mona“ gibt einen Blick hinter eine dieser Mauern frei.

Im Buch finden sich Texte, die gelten speziell für Wien, Porto oder Venedig. Doch auch die Seelen imaginärer Städte und Dörfer bleiben nicht im Verborgenen. Einblicke in das Seelenleben der Autorin werden ebenfalls gewährt. Hier ein Beispiel:

 

andachtsgrün

 

und suchen wir gott

und finden wir ihn in den bäumen,

mächtige zeichen aus seiner hand.

 

schau aufwärts entlang dieser säulen,

der rippigen stämme, verzweigung der

strebenden äste.

und fängt sich der blick im

kreuzrippengewölbe

der zweige.

 

mehr kirche braucht es nicht, als

hier erwächst.

strahlt doch der himmel SELBST

durch die lücken im dach.




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