Russische Reise - Einst und hundert Jahre danach

von Milan Ráček
Rezension von Hans Bäck

Edition Roesner

ISBN 978-3-903059-72-6 € 19,90

 

Es kommt immer wieder vor, dass ich ein Buch verstört, ratlos oder zweifelnd auf die Seite lege. Nach einiger Zeit nehme ich es wieder zur Hand, suche, wo habe ich das Lesezeichen gelassen, wieder beginnen, zuerst den Faden zu finden und dann weiterzulesen. Das ist zugegeben schwierig. So jedenfalls taste ich mir nach vor, bis zum Ende des Buches – man verzeihe den sprachlichen Widerspruch: nach vor tasten, bis zum Ende. Aber so ist es. Dann ist die letzte Seite erreicht, das Buch wird zu Seite gelegt und...

Ja, was und? Fragen stellen sich, Vermutungen tauchen auf, und es bleibt nicht aus, das Buch wieder zur Hand zu nehmen, nach vor zu blättern, planlos herum zu suchen, die Notizen anschauen und dann seufzend das Buch wegzulegen.

Nach einiger Zeit, das gibt´s doch nicht und das Spiel beginnt von vorne. Und siehe da, plötzlich kommt es zum AHA-Effekt. Ja, so hat das der Autor gemeint (oder so habe ich das verstanden – das muss nicht immer das Selbe sein). Das Finden beginnt und das Buch bekommt das Leben, das ihm der Autor mitgegeben hat. Ja, ja, da ist eine Reise geschildert, die so eigenartig begonnen wurde und geendet hat, dass die Verstörung, nein besser, die Verzögerung beim Lesen begreiflich wird.

Also, dann los – der Autor beginnt eine Suche nach einer geheimnisvollen ersten Frau seines Vaters. Das dies weit zurück in den ersten Jahren der jungen tschechoslowakischen Republik beginnt, in den dunklen Jahren der Sozialistischen Tschechoslowakischen Volksrepublik weitergeht und letztlich über den neuen Staat Tschechische Republik in Österreich endet, ist natürlich einerseits der Biografie des Autors zuzuschreiben, anderseits in diesem verrückten 20. Jahrhundert nicht wirklich außergewöhnlich.

Ein Bild, eine Erinnerung an verschlossene Türen vergitterte Fenster und vor allem das geheimnisvolle Bild einer wunderschönen fremden Frau. Niemand konnte, wollte darüber Auskunft geben, „da bist du noch zu jung“, „das ist so schwierig“ usw. was die Ausreden der Erwachsenen halt immer sein können. Jedenfalls, alle jahrzehntelangen Reisebeschränkungen sind aufgehoben, der Autor, längst mit einem österreichischen Reisepass ausgestattet, kann ein Besuchervisum bei der russischen Botschaft beantragen und bekommt es auch. Aber!

Damit sind die ersten Komplikationen eingeleitet. Was der Autor mit einem – fast bin ich versucht zu schreiben – typisch tschechischen, nein besser: böhmischen Humor schildert, gehört zur großen Tradition seiner Heimat! Man stelle sich vor, hundert Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges, der Gründung der Tschechoslowakischen Republik will der Autor auf den Spuren der legendären Tschechischen Legion in Russland/Sowjetunion die Herkunft der geheimnisvollen ersten Frau seines Vaters erkunden. Was wir dabei erfahren, ist selbst für geschichtlich einigermaßen Informierte ein Erlebnis! 




Zurück zur Übersicht