Politiker in drei Hinsichten

von Reinhard Grossmann
Rezension von Hans Bäck

Roman

Elbaol-Verlag Hamburg

ISBN 978-3-939771-81-4

 

Diese Rezension muss ich ein wenig anders beginnen, als dies normalerweise der Fall ist.

Es war eine Lesereise von Mitgliedern des Europa Literaturkreises Kapfenberg u. a. nach Hamburg und Schleswig Holstein. In der wunderschönen Landeshauptstadt Kiel setzte sich eines Vormittags ein kleiner, älterer Herr zu uns, stellte sich als der Autorenkollege Reinhard Grossmann vor. Wir sprachen über Literatur, die Probleme der Schreibenden, über Gott und die Welt.  Am Abend bei der Lesung im Literaturhaus Kiel sorgte Reinhard mit seiner Teilnahme für eine erhebliche Vergrößerung der Besucherzahl! Jedenfalls, wir haben einander kennen gelernt, Gefallen und Sympathie gefunden. Durch die Entfernung, Kiel ist von der Obersteiermark aus gesehen doch am anderen Ende der Welt, blieben die Kontakte aber spärlich. Es gab hin und wieder etwas zu lesen – vor allem von Reinhard. So, und nun legt er ein neues Buch vor, und siehe da, auf der Seite 253 ist eine Bibliografie abgedruckt, die zeigt, wie fleißig Reinhard in all den Jahren war. Nein, nicht in all den Jahren, die Bibliografie setzt ein mit dem Jahr 2010, also hatte der Autor damals bereits 76 Lebensjahre „hinter sich“. So betrachtet, ist das Pensum enorm!

Wie gesagt, einzelne Erzählungen des Autors waren bekannt, hatten wir gelesen, auch im Reibeisen abgedruckt. Daher war die Spannung groß, seinen insgesamt vierten Roman (alles seit 2010!!) zu lesen.

Soweit einmal eine unkonventionelle Einleitung zu einer Rezension.

 

Der Lebenslauf eines Politikers wird nachgezeichnet. Erst einmal aus der Erzählperspektive des Schulfreundes, der den Politiker von der Sandkiste an begleitet und erlebt hatte. Ein wenig denkt der Rezensent bei der Schilderung an Machiavelli, so wie der Politiker seinen Aufstieg minutiös plant. Es ist natürlich zu überlegen – und bei der Lektüre stellt sich diese Frage mehrmals – ob sich eine politische Karriere so genau planen und umsetzen lässt. Das ist so gestaltet, dass ein Schritt zwangsläufig den nächsten nach sich zieht (ziehen muss). Dieses Kapitel ist übertitelt mit „Der Regierungschef“ also darf dem Leser verraten werden, dass der geschilderte Politiker sein Planungsziel erreicht. Dabei ist aber nicht zu erwarten, dass tiefvergrabene Erkenntnisse, Geheimnisse aus der Niederungen der Hohen Politik verraten werden. Der Autor war selbst einige Jahre als Regionalpolitiker tätig, es hätte ja sein können, dass er diesen Roman zum Anlass nimmt um „auszupacken“. Reinhard Grossmann wählt eine ganz andere Lösung für den Roman-Verlauf. Der Politiker, inzwischen Regierungschef und Schwager des Schulfreundes/Autors entscheidet sich anlässlich einer Geburtstagfeier zum Fünfziger, einen ganz anderen Weg zu gehen. Mit einem unglaublichen Programm zur Änderung der Mobilität stößt er alle vor den Kopf. Doch wie diese Entwicklung weitergeht, wie sich die Situation zuspitzt, das verrate ich nicht, das sollen Sie, liebe Leser, selbst erkunden.

Der zweite Teil des Romans schildert den Lebensweg aus der Sicht der Tochter. Krampf- ja fast zwanghaft bemüht sie sich, nicht als DIE Tochter des berühmten Vaters zu gelten und allein, aus eigenem Können, mit eigenen Methoden, ihre Lebensaufgabe zu erfüllen. Die sie dann aber doch wieder in der Nachfolge des Vaters sieht. Die Politik von der wissenschaftlichen Seite her beeinflussen, Ergebnisse auf diese Weise erzielen? Der Abnabelungsprozess dauert an, wird auch durch die Gesellschaft immer wieder verzögert, - „ach Sie, die Tochter des früh verstorbenen Ministerpräsidenten“ – doch es gelingt ihr letztlich doch. Klar, die Zeit geht weiter und vergeht, und es kommt jene Phase wo der Name des Vaters nur noch ein ferner Nachklang ist. Spannend, wie die Mutter in das nun auch politische Leben der Tochter nicht eingreift.

Und erst in der nächsten Generation, im Enkelsohn gelingt anscheinend die komplette Abwendung von der Politik, wenn man davon absieht, dass dieser Enkelsohn als Komponist politische Musik im Stil von Johann Sebastian Bach schreibt.

Reinhard Grossmann hat einen Roman vorgelegt, der einen großen Zeitrahmen umfasst und daher auch zeitgeschichtlich gesehen werden könnte. Natürlich steht die politische Betrachtung der handelnden Personen im Vordergrund des Geschehens und doch sind die menschlichen Aspekte, die Zwischen-Schichten schön geschildert. Vielleicht geht an einigen Stellen der Autor zu rasch wieder an den Hauptstrang der Erzählung zurück, während der Leser lieber bei Schilderungen des Umfeldes verbleiben möchte, doch ist das Ansichtssache des Rezensenten. Dessen Restfrage bleibt unbeantwortet, ist es in der realen Politik, im harten politischen Tagesgeschehen tatsächlich möglich, eine Karriere so exakt zu planen und durchzuführen, wie es die Hauptperson des Romans, der Frank Welzin geschafft hat? Doch das ist das Vorrecht der Autoren, so etwas auch zu erfinden. Und ich finde es ist ganz gut erfunden.

 

Hans Bäck




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