Stahl, Seide, Sog & Druck

von Hans Bäck
Rezension von Sigrid Uhlig

Roman

Engelsdorfer Verlag, Leipzig

ISBN 978-3-96145-876-9

 

Stahl

Hart wie Stahl die beiden Protagonisten Andreas und Ferdinand. Langjährige Freunde, wobei Ferdinand immer etwas im Schatten von Andreas steht.

Gute Schulbildung, Studium, bekommen beide im gleichen Ort und der gleichen Firma eine Anstellung und arbeiten sich hoch. Sie sind begeistert von dem was sie tun und überlegen, wie sie nicht nur für sich, sondern auch für das Werk bestmögliche Ergebnisse erzielen können mit dem Temperament der Jugend, am liebsten die ganze Welt verbessern!

Ein Auftrag langt ein. Auf Grund des Umfanges und der begrenzten Räumlichkeit müsste er abgelehnt werden. Andreas und Ferdinand finden eine Lösung und reichen sie bei der Konzernleitung ein. Andreas beginnt mit den Vorbereitungen. Dazu brauchen sie die Zusammenarbeit mit weiteren Werksabteilungen und einer italienischen Firma. Ferdinand ist der Bodenständigere. Er kümmert sich um die innerbetrieblichen Angelegenheiten, während Andreas die Verhandlungen in Italien übernimmt.

 

Seide

Ferdinand ist verheiratet. Die Firma beansprucht seine ganze Kraft. Für seine Frau Michaela und seine Kinder hat er kaum Zeit. Viel anders geht es Andreas mit seiner Partnerin Celia auch nicht. Celia arbeitet in Italien in der Seidenindustrie. Ab und zu ergaunern sie sich etwas Freizeit zwischen den Dienstreisen.

Interessante Menschen kreuzen dabei ihre Wege. Viel Persönliches erfahren sie über Land und Leute und wie die Politiker nach dem 2. Weltkrieg in den Grenzgebieten Österreich, Italien, Jugoslawien mit bestimmten Volksgruppen umgegangen sind, etwas, das so nicht bekannt und in keiner Presse zu lesen war.

 

Sog

Theater- und Galerienbesuche, Bergsteigen, Bücher lesen und die Treffen mit Ferdinand und seiner Familie werden immer weniger, was bei allen Beteiligten Unzufriedenheit aufkommen lässt.

Nach mehrfachen Nachfragen und Berichterstattungen über den Stand der Vorbereitungen des Projektes gibt es vom Generaldirekter des Konzerns endlich die Zusage. Sie dürfen das Projekt einführen, aber zusätzlich zu ihren eigentlichen Aufgaben. Außerdem wird ihnen die Herstellung um die Hälfte der Zeit gekürzt. Sie fühlen sich in einen Strudel gerissen, der sie forttreibt. Doch wohin? Noch weniger Freizeit. Noch weniger Zeit um die persönlichen Batterien wieder aufzuladen.

 

Druck

Sie schaffen es, das Projekt termin- und qualitätsgerecht fertigzustellen auf Grund ihrer eigenen guten Vorbereitung und der vorbildlichen Zusammenarbeit mit den italienischen Kollegen. Seit Bestehen des Konzerns ist es der größte Gewinn, der eingefahren wird.

Kein Dankeschön, keine Prämie, keine Lohnerhöhung für Andreas und Ferdinand. Stattdessen wurde es als gute Leitungstätigkeit dargestellt und im gleichen Atemzug die Ankündigung von Entlassungen. Bestimmte Träume hatten Andreas und Ferdinand noch nicht verloren. Bevor die Entlassungswelle los ging, kündigte Andreas, um anderen Kollegen den Arbeitsplatz zu erhalten. Er baute seine eigene Firma als Unternehmensberater auf. Später folgte Ferdinand und stieg bei Andreas ein.

Celia stirbt an Krebs. Warum? Die Arbeit war ihr wichtiger als zum Arzt zu gehen. Andreas stürzt sich noch mehr in die Arbeit. Michaela und Ferdinand helfen ihm, seine Trauer zu bewältigen.

Ferdinand fällt es schwer, bestimmte Angewohnheiten abzulegen. Er möchte ein neues Leben mit einer anderen Frau beginnen. Michaela erfährt es von ihr.

Ferdinand verlangt die Auflösung der Firma und die Auszahlung seiner Anteile. Obwohl die Freundschaft durch Ferdinands Verhalten einen kräftigen Riss erhielt, bleiben sie Freunde.

Andreas lernt eine neue Frau kennen. Beide wollen heiraten. Andreas kann es sich leisten, kürzer zu treten, so dass es wieder mehr Raum für die Freizeitgestaltung gibt. Andreas künftige Frau Anna wohnt in Mailand. Beide überlegen, wer zu wem zieht. Mit der Abgeklärtheit des Alters lassen sie sich Zeit mit der Entscheidung. Anna zählt ihm die Vorzüge und Nachteile Italiens und Österreichs auf, wobei seine Heimatstadt besser abschneidet.

 

Bemerkenswert finde ich den Schreibstil. Handlungen und Gespräche erfährt man in Form der direkten Rede.

Es bleibt das Scheitern – die bittere Erkenntnis! So würde ich es nicht sehen. Es ist alles offengelassen. Ich hätte nichts dagegen, gäbe es einen dritten Teil.

 

Jugoslawien, in meiner Erinnerung gehörte es zum sozialistischen Lager, wobei Tito eine Sonderstellung als Außenseiter einnahm. Ganz schlimm empfand ich das Auseinanderfallen der Staaten nach Titos Tod. Serben, Kroaten, Albaner wohnen friedlich Haus an Haus. Von einer Sekunde zur anderen sind sie Feinde. Nur die Politik bringt so etwas zustande.

Liebe Leser, in diesem Roman wird Ihnen vieles sehr bekannt vorkommen. Sie fühlen sich nicht abseits, sondern mitten drin im Geschehen. Hans Bäck stellt fest, weder der Kapitalismus noch der Sozialismus sind die wahren Gesellschaftsordnungen. Aber welche würde alle Menschen glücklich machen? Oder müssen wir einsehen: „Jedem Menschen recht getan, ist eine Kunst, die keiner kann?“

 

Sigrid Uhlig

Ellerbreite   

D 06847 Dessau




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