01. 12. 2021 - ADVENTKALENDER
24. Dezember
Sabine van de Sandt
Weihnachtsgold
Einsame Seifenblase weht durch die Morgenluft
eisgefrorene Flugkugel – zerspringt im Winterduft
Wörter und Buchstaben fallen heraus
Ochs, E, F und Sternenstaub
Esel, Gold, und M und J
Klirrend gehn zu Boden
springen und tanzen und fliegen
zu Worten und Sätzen sich biegen
Ochs und Esels Atemwolken
Flügelrauschen, Heu und Stroh
Maria und Josef irgendwie froh
Das lachende Kind, ein Stall im Wind
Hirten und Weisen folgen dem Stern.
Sie singen und beten, kommen heran.
Sie knien und lauschen, hören ein Rauschen
und folgen weiter dem Stern.
Es singt die Welt zur stillen Nacht,
Sternenstaub hervorgebracht.
Sätze und Verse in Melodien
ins Neue Jahr hinüberziehen.
Knisternder Sternenstaub,
Mensch fang dir was und mach´s zu Gold.
23. Dezember
Gerti Kornberger
Innere Stunde
Schon flüchtet der Tag
von den Tälern zu den Höhen.
Violatöne
blauen die Wälder ein.
Im Silberstreif am Grat
der halbe Mond.
Wunschlos glücklich
steh ich
unter schneevermummten Fichten.
22. Dezember
Manfred F. Kolb
Das Flugticket
Jens Ravenhorst hatte sich gerade in einem Sessel der Hotel-Lounge nieder gelassen und sich in die Tagezeitung vertieft, als er angesprochen wurde.
„Ist der Platz neben Ihnen noch frei?“
Jens ließ die Zeitung sinken und sah auf. Vor ihm stand eine junge Dame im grauen Hosenanzug, mit dunklem Haar und ebenso dunklen Augen und lächelte ihn an.
„Aber ja, natürlich“, antwortete er, „nehmen Sie ruhig Platz.
Als er sich wieder in seine Lektüre vertiefen wollte, hörte er sie mit einer angenehm warmen Stimme sagen:
„heute ist HeiligAbend. Viele Menschen haben die Bedeutung dieses Abends längst vergessen. Für sie ist Weihnachten nur ein Schenkfest geworden“.
Jens Ravenhorst ließ die Zeitung wieder sinken. „Was sagten Sie da eben: Weihnachten hat keine Bedeutung mehr? Da irren sie sich. Meine Frau und ich sind gläubige Christen und wir feiern Weihnachten mit unseren Kindern im Gedenken an die Geburt des Heilands!“
„Und was machen Sie dann hier im Hotel? Entschuldigen Sie, dass ich Sie das so direkt frage, denn das geht mich eigentlich gar nichts an!“ In Ihrem Gesicht spiegelte sich ein kleines Erschrecken über Ihre Bemerkung wider.
„Sie dürfen das gerne wissen“, antwortete er mit ruhiger Stimme. „Ich wollte heute Mittag eigentlich nach München fliegen, um mit meiner Familie HeiligAbend zu feiern, aber durch eine lange Besprechung mit meinen Auftraggebern habe ich den Flieger verpasst. Und die Abendmaschine ist restlos ausgebucht. Es wollen offensichtlich viele Menschen Weihnachten zuhause verbringen. Nun kann ich erst morgen Früh abfliegen.“
Die junge Dame sah ihn mitfühlend an. „Das tut mir sehr leid für sie. Sie haben sich sicher auf zuhause gefreut, nicht wahr? Und nun muss Ihre Familie ohne Sie diesen besonderen Abend verbringen!“
Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: „ich heiße übrigens Lydia Leiras. Und entschuldigen sie bitte, dass ich Ihnen mit meinen Fragen aufdringlich vorkommen muss!“
„Das tun Sie nicht! „Mein Name ist übrigens Jens Ravenhorst, ich bin Architekt und habe mit dem hiesigen Großbauprojekt zu tun, das unter Zeitdruck steht. Deshalb die heutige Besprechung, die länger als geplant dauerte.“
Die junge Dame schwieg. Jens sah, dass es in ihrem Kopf arbeitete.
„Da Sie sich nach dem Grund meines Hierseins an HeiligAbend in einem Hotel fern von der Familie erkundigt haben, erlauben Sie mir Sie zu fragen, warum Sie an diesem christlichen Gedenktag allein hier im Hotel sitzen? Haben Sie auch eine Familie oder einen Menschen, der auf Sie wartet?“
Lydia Leiras antwortete nicht gleich. Dann räusperte sie sich und erklärte Jens Ravenhorst, dass sie kein Zuhause wie er hätte und niemand auf sie wartete. Aber es täte ihr unendlich leid, dass er HeiligAbend ohne seine Familie allein verbringen müsse.
Mit diesen Worten griff sie nach ihrer Handtasche, die sie neben sich im Sessel platziert hatte, und holte einen länglichen Umschlag heraus, den sie Jens überreichte.
„Nehmen sie das bitte“, sagte sie in einem beschwörenden Tonfall, „im Umschlag befindet sich ein Flugticket für die Abendmaschine nach München. Wenn Sie sich demnächst auf den Weg machen, erreichen Sie die Maschine noch rechtzeitig!“
Jens Ravenhorst schaute sein weibliches Gegenüber erstaunt an: „Ihr Flugschein für die Maschine nach München? Das ist ja sehr nett von Ihnen, aber das kann ich nicht annehmen. Sie haben doch den Flug für sich gebucht, um heute Abend nach München zu fliegen. Da wartet doch bestimmt jemand auf Sie. Was anderes kann ich mir gar nicht vorstellen!“
In Lydia Leiras Gesicht zeigte sich das warme Lächeln, das er während ihrer Unterhaltung schon öfter an ihr bemerkt hatte. „Nein, auf mich wartet an HeiligAbend weder in München noch sonstwo irgend jemand auf mich. Machen Sie sich keine Sorgen um mich: ich fliege dann eben morgen früh.“
Jens Ravenhorst hatte sich nach längerem Zögern entschlossen, das für ihn unerwartete Geschenk doch anzunehmen, welchen Grund die junge Dame dafür auch haben mochte.
„Und was bin ich Ihnen für das Flugticket schuldig?“, fragte er sie.
„Nichts“, antwortete sie. „Betrachten Sie es als ein Weihnachtsgeschenk von jemand, der den Wunsch hat, dass Sie Weihnachten nach christlicher Tradition mit Ihrer Familie feiern können!“
Mit vielen Dankesbezeugungen verabschiedet sich Jens Ravenhorst von Lydia Leiras, nachdem er auch ihr ein besinnliches und erfülltes Weihnachten gewünscht hatte, wo immer ihr das begegnen würde.
„Ja das tut es bestimmt“, verabschiedete sie sich von ihm.
Als Jens Ravenhorst im Flughafen am Checkin-Schalter der Fluglinie die Angestellte um eine Umbuchung des Tickets von Frau Lydia Leiras auf seinen Namen bat, erlebte er eine Überraschung. Die Angesprochene, die das Ticket dem Umschlag entnommen hatte, schüttelte nämlich den Kopf: „Herr Ravenhorst, das Flugticket, das Sie mir überreicht haben, ist doch auf ihren Namen ausgestellt!“
Als er sie ungläubig anblickte, sagte sie: „da sehen Sie selbst!“
Und in der Tat, da stand sein Vor- und Zuname. Jens wusste nicht, was er sagen sollte. Wie in Trance nahm er seine Bordkarte entgegen und strebte dem Warteraum zu. Wie konnte es sein, dass das Flugticket, das Lydia Leiras ihm geschenkt hatte, nicht auf ihren, sondern auf seinen Namen ausgestellt war, fragte er sich. War hier Zauberei im Gange? Oder gehörte Dame zu den Himmlischen Heerscharen, die zu Weihnachten Gutes tun wollten? Letzteres war aber unwahrscheinlich in Anbetracht der Begegnung mit Lydia Leiras im Hotel, die nichts überirdisches oder engelhaftes an sich hatte.
Jens lächelte bei diesem Gedanken und bestieg den Flieger, der ihn zu seiner Familie bringen würde, die er nach dem Einchecken über sein Smartphone von seiner überraschenden rechtzeitigen Ankunft an HeiligAbend verständigt und damit große Freude ausgelöst hatte.
Auch seine Familie, der er später von dem Geschenk des Flugtickets durch die ihm unbekannte junge Dame namens Lydia Leiras berichtete, konnte keine Erklärung für das Geschilderte finden.
Als Jens nach den Weihnachtsfeiertagen an seinen Arbeitsplatz zurückkehrte und wieder im selben Hotel Quartier bezog, fragte er den Empfangschef an der Rezeption nach einer Frau namens Lydia Leiras, die er an HeiligAbend in der Lounge getroffen hätte. Aber eine Dame dieses Namens hatte dort kein Zimmer gebucht gehabt, erhielt er als Auskunft. Und in der Lounge war an HeiligAbend auch keine Dame anwesend gewesen, daran hätte er sich erinnert. Nach seinen Beobachtungen habe er, Herr Ravenhorst, bis zu seiner Abreise Zeitung lesend allein in der Lounge gesessen.
Trotz intensiven Nachdenkens fand Jens Ravenhorst keine Erklärung für sein Erlebnis. Dabei hätte er nur die Buchstaben des Nachnamens „Leiras“ in die richtige Reihenfolge bringen müssen.
Denn rückwärts gelesen wird aus Leiras der Name des Erzengels Sariel.
21. Dezember
Barbara Klein
Von einer kristallenen Hülle umfasst,
in vermeintliche Sicherheit gepackt,
verwandeln deine spitzen Enden
das Weiß in rot.
Schmerzlich erkennst du das Innere
und lässt dich bluten.
20. Dezember
Maria Schneider
Vorweihnachtsgedanken
Wir alle, wir lieben die Weihnacht ja sehr
und freun uns aufs Fest jedes Mal,
wir feiern es Jahr für Jahr wie auch bisher
doch sind wir nicht sentimental.
Wir mögen die Hektik und auch manchen Brauch,
Geschenke zur Weihnacht sind Pflicht,
Adventkranz und Christbaum, die lieben wir auch
weil ´s immer nach Kerzenduft riecht.
Es kommt nicht drauf an, ob ´s zu Weihnachten schneit,
ob Truthahn am Festtagstisch steht,
viel wichtiger ist es, dass man verzeiht
und dass man einander versteht.
Es kommt auch drauf an, wie viel Freude man gibt,
damit man auch Freude empfängt
und dass man es sagt, wenn man jemanden liebt
und dass man sich selber verschenkt.
Vor zweitausend Jahren schenkte Gott uns ein Kind,
die Weissagung hat sich erfüllt
und wenn wir im Glauben gefestigt auch sind,
dann sind wir in Liebe gehüllt.
19. Dezember
Josef Graßmugg
(Haiku)
Überall Kälte.
Ein Fingerzeig von oben
gebietet Einhalt.
18. Dezember
Richard Mösslinger
Traumkugeln
Das Christkind flog zum Fenster rein
und schmückte meinen Baum,
in jeder Kugel spiegelt sich
von mir ein stiller Traum.
Da sind: Der Frieden in der Welt,
dass niemand hungern muss,
dass sich ein jeder rasch verträgt,
gab es einmal Verdruss;
dass niemand Wälder erdgleich macht,
die Sauerstoff uns spenden,
dass keine Tiere – sinnlos oft –
durch Menschenhand verenden,
dass Hass und Neid nicht mehr regier´n,
Vergangenheit nur sind;
durch Liebe, Freundlichkeit ersetzt
vom Ält’ren bis zum Kind;
dass jeder gern ein Lächeln schenkt,
das dich und mich beglückt,
dass niemand böse Worte spricht! .....
Ich weiß, es klingt verrückt!
Die Kugeln sind mit Träumen voll.
Wer weiß, ob irgendwann
der eine, and’re sich befreit,
„lebendig“ werden kann!?
17. Dezember
Barbara Klein
Bergauf mit Schweiß und Kraft,
hinan zum Gipfel,
durch gleißendes Sonnenlicht
auf Schienen gleiten.
16. Dezember
Tasso J. Martens
(Limerick)
ich frage mich tagein tagaus
wo lebt eigentlich der nikolaus
bei den elchen
doch bei welchen
oder gar im einfamilienhaus?
lebt er denn in einer kita
dorten wohl als untermieta
als jäger von fall
gar im hasenstall
oder bei heinz und roswitha
man sagt auch er lebe wohl
hoch im norden dort am pol
er lebe dorten schlicht
bei polarem licht
und verzehre nur bratwurst mit kohl
15. Dezember
Manfred Kolb
Der Weihnachtsengel von Eggesin
(eine wahre Geschichte)
Der 24. Dezember 2010 war angebrochen und ich hatte meine Familie darüber informieren müssen, dass ich von meinem Dienst im Krankenhaus Ueckermünde erst spät am Heiligabend nachhause kommen könnte.
Meine Familie in Eggesin konnte ich am Telefon lange nicht beruhigen. Heiligabend mit Bescherung der Kinder ohne Ehemann und Vater war für meine Lieben einfach unvorstellbar. Aber schließlich fügte sie sich.
Für den Heimweg nach Dienstende hatte ich eine wenig befahrene Nebenstraße gewählt. Während ich mir die Szenen der Wiedersehensfreude ausmalte, kam Nebel auf. Erst zogen einige milchige Schwaden über die Straße, die sich dann aber immer mehr verdichteten. Bald war im Scheinwerferlicht nur noch eine matt beleuchtete graue Suppe wahrzunehmen.
Ich drosselte die Geschwindigkeit, schaltete Nebelschweinwerfer und Schlussleuchte samt Warnblinkanalage ein und schlich mit 30 Stundenkilometern vorwärts. Ich kannte die Strecke gut. Eine gut ausgebaute Nebenstraße, die über eine schmale Brücke führte, die kurz vor Eggesin das Flüsschen Uecker überquerte.
Wenn ich diese erreicht hatte, waren es nur noch wenige Minuten bis zu unserem Einfamilienhaus am Rande des Ortes.
Angestrengt schaute ich durch die Frontscheibe nach vorne, während der Wagen dicht am Mittelstreifen der Fahrbahn seinen Weg durch den immer dichter gewordenen Nebel suchte.
Ziemlich am Ende des Scheinwerferkegels im Übergang zur Nebelfront glaubte ich für einen Moment eine schemenhafte Gestalt gesehen zu haben, die etwas rot Leuchtendes in der Luft schwenkte. Ich konnte das Entdeckte zunächst nicht genau erkennen, aber nach und nach wurden die schemenhaften Umrisse eines großen Menschen sichtbar, der einen langen Mantel trug und mit seinem rechten Arm eine rote Laterne hin und her bewegte.
Das musste eine Warnung sein, schoss es mir durch den Kopf. Vielleicht hatte es einen Unfall gegeben oder ein Reh war angefahren worden. Aber das würde ich ja gleich von dem im Nebel unheimlich wirkenden Wesen erfahren. Ich war Arzt und konnte mit meinem immer mitgeführten Notfallkoffer zumindest eine Erstversorgung von Verletzten leisten.
Ich hielt den Wagen, dessen Scheinwerfer die graue Nebelwand vergeblich zu durchdringen suchten, am Straßenrand an. Doch die Gestalt war wie vom Erdboden verschwunden.
Hatte sie sich im Nebel aufgelöst? Ich öffnete die Fahrertür und stieg aus. Plötzlich vernahm ich das Gurgeln und Tosen von Wasserstrudeln. Die Uecker konnte also nicht weit sein. Ich erinnerte mich an Zeitungsberichte, denen zu Folge heftige Regenfälle in den vergangen Tagen zum Anschwellen von Bächen und Flüssen geführt hatten.
Das musste der Grund dafür sein, dass auch der Pegel des Flüsschens Uecker angestiegen war und nun seine Wasserfracht mit Getöse bis zum Stettiner Haff transportierte.
Ich machte ein paar Schritte vorwärts. Der Nebel hatte sich in den vergangenen Minuten weiter gelichtet, nur einzelne milchig gefärbte Fetzen zogen noch über die Straße.
Wo war die Brücke? Ich konnte sie nicht erkennen. Vor mir sah ich nur die dunklen Wassermassen der Uecker, die zu einem breiten Fluss angeschwollen war. Ich spürte, wie meine Beine zu zittern begannen und mich ein heftiger Schwindel erfasste.
Die Straße vor mir endete im Nichts. Aus einem Mauerwerk, das wohl Teil eines Brückenpfeilers gewesen war, ragte ein seltsam gebogenen Stück Geländer in den Nachthimmel. Undeutlich erkannte ich einen weiteren Brückenpfeiler, der aber keinen Brückenbogen mehr trug. Das graue Wasser schob sich mit lärmendem Getöse an mir vorbei. Die Brücke musste es fortgerissen haben, fuhr es mir siedend heiß durch den Körper.
Nur langsam ebbten Beinschwäche und das Schwindelgefühl wieder ab.
Mir wurde klar, dass ich bei meiner Weiterfahrt mit dem Auto um ein Haar hier ins Wasser gestürzt und von den Fluten fortgespült worden wäre, wenn mich nicht diese geheimnisvolle Gestalt mit seinem roten Laternenlicht gewarnt hätte. Dieses Bild vor meinen Augen ließ mich einfach nicht los.
Ein Schutzengel musste mich vor dem Schlimmsten bewahrt haben. Aber wo war die Gestalt, die mich mit einem roten Laternenlicht vor dem Weiterfahren gewarnt hatte? Mühsam löste ich mich aus meinen Gedanken und rief mehrfach laut "Hallo, ist da jemand?". Doch nichts rührte sich. Meine Suche blieb vergeblich. Niemand war zu sehen oder antwortete auf mein Rufen.
Ich konnte mir das Verschwinden nicht erklären. Eine optische Täuschung meiner Sinne oder eine Illusion konnte ich ausschließen: zu deutlich war die mit der Laterne winkende Gestalt im Scheinwerferlicht zu erkennen gewesen.
Der Nebel hatte sich jetzt vollständig gelichtet. Ich stieg wieder in mein Fahrzeug und informierte über mein Smartphone die Polizei über die weg gerissene Brücke. Dann wendete ich, um auf der Hauptstrecke den Weg nach Haus zu nehmen.
Als ich am späten Abend die Haustür aufschloss und in die erstaunten und erfreuten Gesichter meiner Familie blickte, war all die Anspannung und der Schrecken über das Erlebte vergessen.
Es wurde ein schöner und harmonischer Weihnachtsabend, den ich in all den Jahren zuvor noch nie so intensiv wahrgenommen hatte.
Erst als wir die Kinder zu Bett gebracht hatten, erzählte ich meiner Frau mein Erlebnis. Wir beschlossen, am nächsten Tag einen Ausflug zu der Stelle zu machen, wo ich meinen Wagen wegen des Warnhinweises angehalten hatte.
Bald standen wir vor dem gurgelnden Wasserstrom, sahen auf die Reste der Brücke und fragten uns, wer mich da wohl gewarnt haben könnte. Aber wir konnten diese Frage nicht beantworten.
Später stellte ich Nachforschungen an, um herauszufinden, wer mich am Heiligabend vor dem sicheren Tod bewahrt hatte. Doch niemand konnte mir einen entscheidenden Hinweis geben.
Und so wurde diese schicksalshafte Begegnung mit meinem Schutzengel, der für mich zu einem Weihnachtsengel wurde, ein Bestandteil meines Lebens.
ENDE
22.11.2020
14. Dezember
Dagmar Weck
Der Weihnachtskaffee
Lisa und Anselm setzen sich an den gedeckten Kaffeetisch in ihrem Wohnzimmer. „Wir haben es doch gemütlich, Anselm, nicht wahr, lass es dir schmecken, ich habe für Weihnachten auch schon lange Plätzchen gebacken, neun Sorten,“ Lisa schaut ihren Anselm erwartungsvoll an.
Anselm nimmt sich von dem Gebäck, sieht Lisa an. „Warum siehst du mich so enttäuscht an, Lisa, du machst mir Angst?“ Er sieht den Weihnachtsbaum an, reichlich geschmückt steht er da: „Wir haben noch vier Wochen Zeit bis Weihnachten, Lisa, wann hast du denn die vielen Geschenke gekauft, sind es auch genug?“ Anselm schaut den Stapel der Weihnachtspäckchen an: „Es sind mindestens 70 Päckchen, Lisa, was ist geschehen?“ „Im Sommer habe ich sie besorgt, ich möchte uns ein perfektes Fest schenken, friedlich soll es sein, einige Geschenke sind für unsere Freunde, die Nachbarn, unsere Familie, die meisten Päckchen habe ich für uns gekauft.“ „Um dich mache ich mir Sorgen, Lisa, nein um uns beide. Wir können jetzt unsere Freunde nicht besuchen, auch nicht unsere Familie, wir wollen uns nicht gegenseitig anstecken.“
„Wir haben lange nicht mehr ehrlich miteinander geredet, Lisa.“
Sie schweigen in die Kekse hinein, der Baum erstrahlt in seinen goldenen und roten Kugeln und seinen gelben Lichtern, er lebt. Lisa und Anselm sitzen lange schweigend da. „Anselm, wer sind wir?“, Lisa löst die Stille, „ich habe mich nicht getraut, dir zu sagen, was ich bei uns vermisse.“
„Weihnachten ist das Fest der Liebe, wir haben uns unsere Liebe schon lange nicht mehr gesagt, haben wir sie noch, Anselm?“ Er nimmt Lisas Hand: „Ja, meine Liebe, wir sollten uns öfter zeigen, dass wir uns gern haben, das wünsche ich mir“, Lisa umarmt ihren Anselm. Er hält sie lange fest. „das werden wir tun, mein Schatz, ich dachte, du bist mich leid, ich meckere doch so oft.“ „Ich bin dir aus dem Weg gegangen und war oft in der Stadt, dort habe ich mich nicht so einsam gefühlt, lieber Gatte.“ „Dein Kaffee schmeckt gut, Lisa, deine Plätzchen auch, oh, was ist denn unter dem Tisch?“ Anselm schaut sich die Bescherung an.
Noch mehr Weihnachtspäckchen entdeckt er, er lächelt Lisa an: „Wir geben ganz viele Geschenke der Hilfe für Obdachlose.“ Lisa schmiegt sich an ihn, Weihnachten kann unbeschwert kommen.
13. Dezember
Maria Schneider
Da Stern zoagt noch Bethlehem
In an gaunz fernen Laund,
herrscht vor längerer Zeit
recht a herzlouser König
über rechtlouse Leut,
werdn vatriebm und vafulgt
san daunn Flüchtling sogoar,
dou die Hirtn am Föld
hörn an himmlischn Chor
und an Engl vakündn,
dass a Wunder goar gschiacht,
drauf gehn s´ lous über Nocht
ollwal grod, hin zan Liacht.
Mehr ols zwoatausnd Joahr
san seit daumols vorbei
und die Flüchtling am Weg,
kemman oll nou herbei,
wulln sou vüle zu uns
wal mir lebm jo im Liacht,
dou des Kindl im Stroh
heut fost koana mehr siacht
und as Feuer der Liab
is ba uns scha vagaungan,
mochn d´ Herzn oll zua,
koana wülls mehr empfaungan.
Seit des Wunder is gschehgn
in dem Bethlehem durt
is da Stern übern Stoll
goar am End längst scha fuart?
Liabes Jesukind hülf,
dass de Frog sih net stöllt
´s gibt jo sou vül zan tuan
nou auf unserer Wölt!
12. Dezember
Peter Veran
Angel’s Share
I.
Auch das kann
Wille. Ohren schneiden
Augen stechen. Lippen nähen
Strafe. Volks
Belustigung
Wir schulden nicht
Wir neiden nicht
Den Engeln dieser Welten
Destillerien schottischer Highlands
II.
Brutal neigt sich
Die Rinne. Stürzt hinab
Ins gleißende Nichts
Unter mir
Die Kante des Schis
Allein. Die rechte
Sprung. Die linke
Rauchend der Bruch
So what? Ha!
Angel’s share?
Not yet
11. Dezember
Friederike Krassnig
Winterwald
Versunkene Spuren im Schnee -
Tiefgang oberflächlicher Eindrücke,
kein Fehltritt gespielter Flucht-
Draufgängertum der Wildnis
im rehäugigen Gehege.
Und alles, alles versiegelt vom Eis
schneereichen Schweigens
unter Rauhreifranken
im Blitzlicht der Sonne.
10. Dezember
Barbara Klein
Weiß wohin das Auge sieht.
Zu Staub gewordene Zuckerrüben
legen sich zart um das
mit spitzen Fingern geformte Gebäck.
Lasst sie uns endlich auf der Zunge zergehen,
die Vanillekipferl.
9. Dezember
Ruth Barg
VERSCHOLLEN
Gebete
verstummen unaufgefordert
Empfindsamkeit
gnadenlos verpfändet
Sehnsüchte
ausgedorrt an uferlosen Weiten
Wünsche
in namenlose Gräber gelegt
Herzlasten
unausgelotet versenkt
im Niemandsland
8. Dezember
Sepp Maier
Mei Weihnochtswunsch 
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A jeda Mensch in Stodt und Lond
wünscht si vom Christkind ollahond.
Wos i ma wünsch´, wüll i enk sogn:
Z´erscht, dass si olli Leit vatrogn,
dass Friedn und Gerechtigkeit
übaroll herrschat, länderweit.
Dass koani Katastrophn kemman,
uns koani Wetta übaschwemman.
Den Menschn auf da gonzn Wölt
wünsch´ i, dass eah nia ´s Essn föhlt.
Dass d´Gsundheit holbwegs stimman mog
und oamol lochn jedn Tog,
des wa, sou hob i oamol ghört,
mehr wia des besti Pulverl wert.
Donn wünschat i zur Weihnochtszeit
holt nirgends auf da Wölt an Streit.
Olli sulltns freindli redn.
Und des olles wünsch´ i jedn.
7. Dezember
Gerti Kornberger
Erster Flockenfall
Ich mag die Stunden dieser
Dämmertage,
den Nachtgesang des Windes
unterm Dach.
Die trüben Straßenlampen
kreisen schwankend
und ausgelöschten Blicks
den Schritten nach,
die ihre Spur im ersten
Flockentanz
hinzeichnen auf den
lichten Flaum.
Ich mag das weiße Schweben
dieser Nächte,
geschenkt aus eines
Engels Hand.
6. Dezember
Josef Graßmugg
Einkaufserlebnis
Als Martina vom Kindergarten nach Hause kam, hatte sie kaum Zeit, ihrer Mutter zu erzählen, was sie an diesem Tag schon alles erlebt hatte. Sie musste sich mit dem Essen beeilen, weil sie gemeinsam mit der Mutter in die Stadt fahren wollte, um einzukaufen. Da sie diesmal auf das sonst übliche herumtrödeln verzichtete, waren sie bereits am frühen Nachmittag unterwegs.
Zunächst gingen sie in ein Geschäft, in dem es vor allem Lebensmittel zu kaufen gab. Das kam Martina sehr gelegen. Sie rechnete nämlich damit, dass ihre Mutter irgendwelche Naschereien kaufen würde, von denen es dann gleich eine Kostprobe gäbe.
Als sie zum Regal mit den Süßigkeiten kamen, war Martina sehr erstaunt: "Mama, warum stehen hier so viele Schokokrampuse und Nikoläuse? Kann man die kaufen?"
Der Mutter blieb wenig Zeit, sich eine passende Antwort zu überlegen.
"Nein, mein Kind. Alles, was in diesem Regal steht, kann nur vom Nikolaus gekauft werden. Er schenkt es dann weiter an die braven Kinder."
"Ach so." Martina war mit dieser Erklärung zufrieden. Obwohl sie natürlich gerne einen Nikolaus oder Krampus in den Einkaufswagen gelegt hätte. Aber was sollte man machen, wenn das nur der Nikolaus durfte?
Während die Mutter versuchte, alle Lebensmittel, die sie sich notiert hatte, zu finden, interessierte sich Martina für das vorhandene Angebot an Spielzeug.
Ob sie Mama den Vorschlag machen sollte, eine Puppe zu kaufen?
Plötzlich erschrak sie.
Was machte der Mann an diesem Regal? Er hatte sich doch tatsächlich einen Nikolaus in seinen Einkaufswagen gelegt. Jetzt griff er auch noch nach einem Krampus!
Martina wurde nervös. Dieser Mann – er hatte einen Bart. Es war noch kein richtig weißer Bart, aber er könnte in den nächsten Tagen ja noch weiß werden.
Die Kleidung dieses Mannes, der inzwischen noch einen Nikolo in seinen Wagen gelegt hatte, verriet nicht wer er war. Sogar ihr Papa hatte eine ähnliche Jacke. Aber er konnte sich ja umziehen...
Martina gelang es kaum noch, sich ruhig zu verhalten. Was sollte sie jetzt nur machen? Die Mama rufen?
Nein, wer weiß, ob Erwachsene den Nikolaus überhaupt sehen können.
Aber sie, sie sah ihn...
Niemanden sonst im Geschäft war er aufgefallen. Das Mädchen blickte ihm nach, bis er mit seinem Einkaufswagen, den er am Nikolausregal angefüllt hatte, hinter einer Säule verschwand.
Martina beschloss, ihr Geheimnis für sich zu behalten.
Im Laufe des restlichen Nachmittages fiel der Mutter auf, dass ihr Kind immer wieder vom Nikolaus sprach.
5. Dezember
Barbara Klein
Gefangen bist du im Blumentopf,
festgefroren in dem Rund aus Ton.
Abgefangen vom gelblich-roten Laub
der Pflanze,
die dereinst prachtvoll
in den blauen Sommerhimmel wuchs.
4. Dezember
Tasso J. Martens 2013
münchner advent I 
mein auge windet sich entgegen
dem strom fremder blicke
es reibt sich an einem grienenden ketchupmond
auf mandelbrot in goldlakritz verpackt
an mein ohr schrillen quengelnde kinderärmchen
greifen nach schmalzgebackenen tönen
nur erinnerungstaubheit in meinen gehörgängen
dimmt die qual gegen den strich
eine gruppe verharrender füße in stiefeln
hochhakigen pumps
mit glühweintassen an rotgeränderten wangen
signalisieren dem gehirn meine unpassende nüchternheit
hemmen den freien lauf meiner fröstelnden schritte
zwei frauengesichter in nerz und silberflittriger erwartung im haar
schleppen einen toten baum vom platz
mein männlicher instinkt notiert
das aufreizende lächeln der weißblauen kugeln
schmutzige finger strecken sich meiner hand entgegen
und leere schritte folgen dem einkaufswagen
über den giebeln der stern seiner ferne beraubt
singt fremdes lamettageklingel vom rathaussöller
gebratener duft nach heiligen äpfeln vom rost
überschiemelt die botschaft
3. Dezember
Manfred F. Kolb
kriege, terror, tod -
elend, seuchen, hungersnot :
was tun wir dagegen?
der weihnachtliche segen –
kann er in uns erstrahlen,
wo menschen leiden qualen?
wie soll uns friede werden
auf dieser heillos‘ erden?
2. Dezember
Richard Mösslinger
Ganz still und hoamlih
Ganz still und hoamlih is’s gschehgn in der Nacht,
sölm hat a Jungfrau oan Buabm zu uns bracht.
In aner Krippm auf Stroh is er glegn,
hat in der Stund schon in Friedn da(r)sehgn.
Hirtn sand kemman von fern und von nah,
’s Büabl zan ehrn, zwegns dem warn sie da.
D’ Engl im Himml habn gsungan ganz leis’
grad von dem Wunder in himmlischer Weis’.
’s Büabl im Kripperl schaut unschuldi’ drein,
fragt mit die Äugerl: „Wird Friedn bald sein?
Sehgts, ih va(r)hoaß enk den Friedn auf Er(d)n,
müassts nur a wengerl varnünftiger wer(d)n!“
Stille, du liabliche, halige Nacht,
d’ hast den Erlöser uns oanstns va(r)macht.
Gib, dass der Friedn, den er uns va(r)kündt,
uns all mit’nander ah iadn Tag findt!
1. Dezember
Josef Graßmugg
Warum?
Er kommt vom Spaziergang zurück.
Diese Mistelzweige über der Haustür,
die lebenslange Liebe versprechen,
wenn man sich darunter küsst.
Warum?
Sie hielten beide an Traditionen fest.
Wie oft hatten sie sich hier geküsst?
Wie oft waren sie abends durch die Siedlung spaziert?
Erst vor wenigen Tagen.
Die Vorfreude auf das Fest war spürbar, war sichtbar.
All die Weihnachtsbeleuchtungen gaben Zeugnis davon.
Zuhause der Tee,
mit Kletzenbrot,
selbst gebacken.
Diese Abende,
sie waren harmonisch, unendlich harmonisch.
Beide waren bereit,
für das Fest der Liebe.
Dann dieser Tag, diese Nacht.
Am Heimweg von der Weihnachtsfeier.
Seine Frau war mit einem Kollegen unterwegs.
Einem Nachbarn.
Er wohnte nur ein paar Häuser von ihnen entfernt.
Natürlich war Alkohol im Spiel.
Nicht beim Arbeitskollegen.
Aber beim Unfallgegner.
Sie war sofort tot.
Sagte man ihm.
Warum?
Die Sache mit den Mistelzweigen,
sie stimmt.
Sie hatten sich geliebt.
Bis ans Lebensende.
Er öffnet die Tür.
Von der Kirche die Turmbläser,
er hört sie nicht.