Kinderbomber, Moorsoldat

von Christine Teichmann
Rezension von Hans Bäck

Roman, Edition Keiper

ISBN 978-3-903322-15-8

 

Eine Geschichte wird erzählt, die ihren Ausgang in „fernen Zeiten und in fernen Landen“ nimmt, dann urplötzlich in eine gerade erst zurückliegende Vergangenheit mündet. 1933 wird der 17 jährige Jung-Kommunist Emil-Manoli Fischer ins KZ Börgermoor im Emsland inhaftiert. Er erlebt die „Geburt“ des Liedes der Moorsoldaten, kommt frei, zurück nach Österreich, wird zwangsläufig „Ostmärker“, an die Ostfront einberufen, gerät in sowjetische Gefangenschaft, lernt den kommunistischen Lagerterror genauso kennen wie Jahre zuvor den faschistischen im KZ. Verbringt seine letzte Lebenszeit in einem Alten- und Pflegeheim. Dabei begegnet er einer Mutter zweier Kinder: Marlies mit dem 17 jährigen Theo und der 13 jährigen Claudia. Marlies ist an MS erkrankt und wir können/dürfen miterleben, wie die Schübe ihre Lebensumstände zusehends verschlechtern. Und dabei wäre gerade jetzt die Anwesenheit der Mutter in der Familie so notwendig. War es doch immer sie, welche die Familie zusammengehalten hat, dafür sorgte, dass die Kinder ordnungsgemäß linkslink erzogen werden. So auf die Art: Das wird erwartet, das ist notwendig. WARUM das notwendig sei, wird nie hinterfragt. Daher dauert es nicht lange bis der Sohn Theo in der Schule Stunk macht, „Kanaken“ verprügelt, mit schweren Stiefeln und Kurzhaarschnitt auftaucht. Der Vater, sehr klischeehaft, ist total beschäftigt, hastet von einer Baustelle zur  anderen, hat ständig damit zu tun, dass dort nie etwas so klappt wie es soll und geplant war. Telefonate mit dem Sohn eigentlich unmöglich, denn entweder in einer Besprechung oder auf der Fahrt. Wie soll der Vater auf den Sohn einwirken, seine schulischen Fortschritte überwachen, beaufsichtigen? Unmöglich, dazu war immer die Mutter da, doch jetzt, nach einem neuerlichen Schub? Und diese im Heim, mit dem uralten Emil/Manoli im Gespräch über KZ, Kommunismus, verlorene Jugend.

Theo wird vereinnahmt, kommt mit gut organisierten Rechten in Kontakt, die ihm eine Art Zuversicht zu geben scheinen, so lange er für diese nützlich sein könnte. Versuche der üblichen Institutionen dem Jungen eine Hilfe zu geben, scheitern fast erwartungsgemäß kläglich. Schuldirektor, Schulpsychologen, Mediatorin,  letztlich auch der Versuch der Mutter den alten Emil/Manoli einzuschalten, als Zeitzeugen womöglich, wohin das führen könnte, selbst die Versuche der Schwester scheitern. Bis auf den Einfluss der neuen Gönner und Förderer. Es kommt was kommen musste: Theo wird verwendet um ein Bombenattentat auszuführen. Stümperhaft, gar nicht professionell, sodass die U-Haft die logische Folge ist. Nein, der Rezensent verrät nichts weiter, es soll ja dem Leser auch noch eine Spannung verbleiben. Interessant ist die Einbindung des uralten Moorsoldaten als hilfloser Versuch der Mutter, den Sohn damit auf den Weg zurück zu bringen. Die Geschichte der Moorsoldaten ist sehr gründlich recherchiert, spannend geschrieben, lesenswert.

Im Ganzen gesehen, eine aktuelle Beschreibung, wie das Umfeld in der Lage ist, junge Menschen mit den besten Voraussetzungen, so zu beeinflussen, dass von sämtlichen gutgemeinten Erziehungs-Ansätzen der Mutter nichts mehr übrig bleibt. Interessant auch eine Schlussfolgerung, die dem Theo in der U-Haft offeriert wird: „Das ist ein Angebot, das du überhaupt nicht verdienst. Du kannst unsere Großzügigkeit kennen lernen, aber du kannst es auch drauf ankommen lassen, unsere Macht zu spüren.“

Auf Seite 208 schildert die Autorin eine Situation, die sie womöglich herauf zu ziehen verspürt, die aber wahrscheinlich so doch nie Realität wird. Doch davon waren die alten Kommunisten auch überzeugt.

 

Hans Bäck




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