Tortilla Flat

von John Steinbeck
Rezension von Karl Forcher

Ein Schelmenroman! Und Steinbeck spielt ganz bewusst auch in der Form damit. Alle Kapitel sind mit einer kurzen Zusammenfassung im Titel versehen, wie es die Tradition ist bei den großen Schelmenromanen der Neuzeit.

Und doch bricht der Autor zu neuen Zeiten auf, damals vor fast 90 Jahren. 1935 erschien dieser Roman, diese Erzählung, dieses Sammelsurium von Geschichten und Anekdoten. Eine andere Zeit, schon modern und doch, eigentlich nicht mehr vorstellbar.

Ich denke an: Geld! Der Pirat, er schlägt Knüppelholz im Wald oberhalb Montereys. Täglich. Und verkauft es in der Stadt um einen Vierteldollar. Ein Vierteldollar! Was uns heute eine lächerliche Summe, es war zu dieser Zeit ein Wert.

Eine Gallone Wein kostet ungefähr einen Dollar. Ich schlug nach, weiß nun, eine Gallone sind ungefähr 3,8 Liter. Und der Preis, nur ungefähr? Nun, Steinbecks und durchaus auch des Lesers Helden, sie trinken viel, sie prügeln sich, sie lieben im Vorübergehen. Aber den Wein, den stehlen sie meist.

Ja, sie sind Diebe, unsere Helden. Tunichtgut, ein alter Ausdruck. Aber falsch. Sie gehen keiner geregelten Lohnarbeit nach. Aber dass sie nichts Gutes tun, nein, das stimmt so nicht.

Gewiss, sie stehlen, wie schon erwähnt, Wein. Sie melken fremde Ziegen. Sie rupfen und verspeisen die Hühnchen der Nachbarin. Aber edel ist oft ihr Sinnen, wahrhaftig ihre Freundschaft. Wie die Tafelrunde, Steinbeck mag sie im Hinterkopf gehabt haben.

Danny, dass ist Artus. Mittellos vom Krieg heimgekehrt, wird er nach dem Tod des Großvaters plötzlich zum Besitzer zweier Häuschen in Tortilla Flat oberhalb Montereys. Er schart seine Freunde um sich, im größeren Haus, nachdem das kleinere bald in Flammen aufgeht.

Wie in der Artussage tritt Danny in den Hintergrund, werden in den Kapiteln die Abenteuer der „Ritter“ erzählt. Vom klugen Pilon, der alles weiß. Von Jesus Maria Corcoran, von Pablo, vom Piraten mit seinen fünf Hunden, von Big Joe Portagee.

Dazu eine Vielzahl an Männern und Frauen, die Steinbeck einmal oder öfters den Weg kreuzen oder in die Erzählungen unserer Freunde auftauchen lässt.

Lest es, dieses aus der Zeit gefallene Dokument, dieses schräge Dokument über ein Proletariat, wie es in der großen Depression, lebte, liebte, soff und philosophierte. Zumindest im Tortilla Flat John Steinbecks.  




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